Biologisch abbaubares Plastik in der Medizin hui, als Verpackung pfui

17.04.2020

Wien (APA) - Von biologisch abbaubarem Plastik kann man sich als Verpackungsmaterial nicht viel erwarten, denn aus der Natur verschwindet es genau so wenig wie herkömmlicher Kunststoff, erklärte der Materialchemiker Alexander Bismarck von der Uni Wien im Gespräch mit der APA. In der Medizin sieht er aber großes Potenzial, dass es Schrauben und Schienen aus Metall ersetzt und nachwachsendem Gewebe Form gibt.

Sowohl aus Erdöl als auch aus nachwachsenden Rohstoffen kann man biologisch abbaubare Kunststoffe herstellen, sagte Bismarck, Vorstand des Instituts für Materialchemie der Universität Wien: "Zum Beispiel Geschirrspültabs sind in Polyvinylalkohol (PVAL) eingeschweißt, das ist ein synthetisches, aus Rohöl hergestelltes Polymer, das biologisch abbaubar ist". Es gäbe auch Polymere (Stoffe aus lauter gleichen, fest verbundenen Bausteinen) aus nachwachsenden Rohstoffen, wie etwa Polymilchsäure (PLA). Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Bioplastik biologisch abbaubar ist, Erdölplastik nicht. Tatsächlich kann man beides entweder kompostierbar oder umweltbeständig machen.

Nicht geeignet für die Biotonne

Kompostierbar sind biologisch abbaubare Kunststoffe aber nur in industriellen Anlagen, wo sie bei 65 Grad Celsius verrotten, dafür aber doppelt so lange brauchen, wie herkömmlicher Biomüll. "Innerhalb von drei Monaten ist typischerweise jedes Pflanzenmaterial verrottet, aber das Polymer nicht abgebaut", so der Forscher. Wenn man den Kompost so lange in der Anlage lässt, bis die "biologisch abbaubaren" Kunststoffe nicht mehr sichtbar sind, wäre der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich. Die Wiener Magistratsabteilung für Abfallwirtschaft (MA 48) deklariert Bioplastik-Verpackungen deswegen als nicht geeignet für die Biotonne, sagte er. Sie gehören demnach in den Restmüll und werden verbrannt.

Kritisch sehe er auch, dass die Konsumenten durch die Beschriftungen "biologisch abbaubar", "kompostierbar" und die dafür stehenden Logos denken, dass man solches Plastik einfach in der Natur wegschmeißen könne. "Dann kommt es in den Wasserkreislauf und ins Meer, dort sind diese Polymere überhaupt nicht abbaubar", erklärte Bismarck.

Sinnvoll könnte es hingegen sein, aus nachwachsendem Rohmaterial polymere Werkstoffe herzustellen, die langlebig sind. "Damit entfernt man CO2 aus der Umwelt", erklärte er. Man sollte sie so lange erhalten und recyceln wie möglich, und am Ende ihrer Lebensspanne dauerhaft deponieren. "Somit erzeugen wir so etwas wie künstliche Kohle, die in Zukunft hoffentlich nicht mehr angerührt würde", sagte er.

Großes Potenzial bei Knochenbrüchen

Großes Potenzial für biologisch abbaubare Kunststoffe ortet Bismarck jedoch in der Medizin. "Es ist wahrscheinlich viel sinnvoller, einen komplizierten Knochenbruch mit im Körper abbaubaren Polymeren zu fixieren und zu reparieren, als mit Schrauben und Schienen aus Metall", meint er. Das Polymer müsste dann so beschaffen sein, dass es im gleichen Maß verschwindet wie die Knochen nachwachsen. Es könnte den Zellen als Gerüst dienen, damit das Knochengewebe mit genau jener Struktur wieder aufgebaut wird, die Lasten gut trägt. Bei einem offenen Bruch am Kopf könne man so die Schädeldecke in der richtigen Form wiederherstellen, aber auch bei Knorpelgeweben wie dem Ohr, nachwachsender Haut und Nervenbahnen gäbe es Anwendungsmöglichkeiten.

Bismarck spricht am 22. Jänner bei den vom Postgraduate Center der Universität und der Kaiserschild-Stiftung ausgerichteten Veranstaltungsreihe "Kaiserschild Lectures" über "Grünes Plastik zwischen Hype und Realität: Was wir von biologisch abbaubaren Kunststoffen erwarten dürfen" in der Wirtschaftskammer Wien.

22.01.2020

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