Wie grün ist Bioplastik wirklich?

17.04.2020

Durch neue Gesetze wollen viele Staaten grüner werden und die Plastikflut eindämmen. Ökologisch gesehen ist das nicht automatisch besser.

19. Jänner 2020

Seit 1. Jänner sind Plastiksackerln in Österreich verboten. Statt der bunt-glänzenden Taschen hängen zunehmend matt-milchige Taschen aus Mais oder Kartoffeln unter den Kassen.

Kunststoff aus Pflanzen ist grundsätzlich keine neue Erfindung. Die ersten industriell hergestellten Kunststoffe im 19. Jahrhundert waren Biopolymere. Zelluloid, aus dem Kinofilme und Zigarettenfilter hergestellt werden, besteht etwa aus Zellulose. Mit dem Erdöl-Boom kamen die fossilen, heute dominierenden Kunststoffe. Der Rohstoff sei billiger, verfügbarer und einfacher zu verarbeiten als die nachwachsenden Rohstoffe, erklärt Alexander Bismarck, Vorstand des Instituts für Materialchemie an der Universität Wien. Obwohl Biokunststoffe in den letzten Jahrzehnten günstiger geworden ist, kostet ein Kilo immer noch etwa siebenmal mehr als ölbasiertes Plastik. Trotzdem entscheiden Regierungen, das in Verruf geratene Plastik zu verbannen. Aber wie grün ist das Bioplastik wirklich?

Geht es nach manchen Staaten, dann sollen Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen bald konventionelles Plastik ersetzen. Experten sehen das kritisch.

Bio nicht immer abbaubar

Grundsätzlich müsse zwischen den unterschiedlichen Arten von Bioplastik unterschieden werden, sagt Vasiliki-Maria Archodoulaki vom Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der Technischen Universität Wien. Nicht jeder biobasierte Kunststoff sei auch abbaubar – Stichwort Zigarettenfilter –, gleichzeitig gebe es auch Plastik aus Erdöl, das sich kompostieren lässt. Wobei die Forscherin statt Plastik den Begriff Polymer bevorzugt. "Plastik ist mit einem negativen Unterton behaftet", sagt die Wissenschafterin. Zu Unrecht, wie sie findet. Polymere seien unverzichtbar in Anwendungen wie Rohre, also dort, wo Langlebigkeit gefragt ist.

Wobei auch scheinbare Einwegprodukte langlebig sein könnten. "PET-Flaschen müssen kein Wegwerfprodukt sein", sagt Bismarck und plädiert für wiederverwendbare Plastik-Getränkeflaschen. Dafür würde es aber ein Pfandsystem, wie etwa in Deutschland, brauchen. "Sackerln hingegen sind ein anderes Problem", sagt Bismarck.

Baumwolltasche erst nach der 149. Benützung umweltfreundlicher

Die Alternativen zum Plastiksackerl sind aber nicht immer besser. Eine Papiertragetasche müsste 42 Sackerln aus Polyethylen (PE) ersetzen, um umweltfreundlicher zu sein, rechnet Archodoulaki vor. Eine Baumwolltasche rentiere sich aufgrund des aufwendigen Baumwolleanbaus erst nach dem 149. Mal. Bismarck rät zu Taschen aus Jute, das auch auf Flächen wächst, wo keine Lebensmittel angebaut werden können, und kaum Pestizide benötigt.

Recycling von biobasierten Kunststoffen ist zwar möglich, aber momentan nicht ökonomisch sinnvoll, Sammelsysteme gibt es dafür kaum. Was tun also mit altem Bioplastik? Anders als der Name suggeriert gehören Biomüllsackerln nicht in die grüne Tonne. Zwar seien diese grundsätzlich kompostierbar, würden sich in den industriellen Schnell-Kompostieranlagen nicht vollständig zersetzen. Wenn sie es überhaupt bis dorthin schaffen würden, denn Sortieranlagen können die Biosackerln nicht von "echtem" Plastik unterscheiden, weshalb sie aussortiert und verbrannt werden.

Verzichten ist besser als ersetzen

Kann man sie also zum Restmüll werfen, denn auch dort wird das Sackerl verbrannt? "Da muss man aber kein schlechtes Gewissen haben", beruhigt Bismarck, denn beim Verbrennen entsteht nur Wasserdampf und das CO2, das die Pflanze beim Wachsen aufgenommen hat.

Der Handelskonzern Spar weist allerdings darauf hin, dass die dünnen Obst-Sackerl dem "home compost"-Standard entsprechen und sich auch in industriellen Kompostieranlagen zersetzen würden. Nach einer Übergangsfrist sei das Aussortieren ohnehin obsolet, da es nur noch die abbaubaren Sackerl geben werde.

Für die Plastikproblematik in den Ozeanen sei Biokunststoff keine Lösung, merkt Bismarck an. In Salzwasser würde sich dieser nämlich gar nicht abbauen. Für Mikroplastik seien Flaschen und Sackerln ohnehin kaum verantwortlich, die Hauptverursacher sind Autoreifen, die Landwirtschaft und Abrieb aus Kunstfasertextilien. Bei jedem Waschen gelangen Partikel ins Abwasser – je neuer das Kleidungsstück, desto mehr. Bismarck hat deshalb einen einfachen Tipp, um Mikroplastik zu reduzieren: "Nicht jeden Modetrend mitmachen." (pp, 19.1.2020)